Abwasserrecycling - eine tickende Zeitbombe
Der Berliner Grundwasserhaushalt wird durch das in den Jahren 1995 bis 1998 unter dem Motto "Berlin trocknet aus" vom Berliner Senat eingeführte Abwasserrecycling zusätzlich stark beaufschlagt.
Im Rahmen dieses Systems werden geklärte Abwasser, u. a. aus dem Klärwerk Waßmannsdorf (hier: mehr als 70 Mio. cbm / Jahr), dem Grundwasserhaushalt im Berliner Urstromtal zugeführt.
Seinerzeit diente eine Grundwasserfördermenge von 372 Mio. cbm / Jahr für Berlin als Begründung für die Notwendigkeit des Abwasserrecyclings.
Das Wasserversorgungskonzept 2040, vorgelegt im Jahr 2008, geht nur noch von einer Grundwasserfördermenge von 184 Mio. cbm / Jahr für Berlin aus.
Das Ungleichgewicht zwischen der Grundwasserneubildung durch Niederschläge, Uferfiltrate und Abwasserrecycling einerseits und den tatsächlich noch notwendigen Grundwasserfördermengen
andererseits führte zwangsläufig zu dem "gewollten" Grundwasseranstieg in Berlin.
Originalton der Senatsumweltverwaltung im März 2011: "Der Anstieg des Grundwassers ist positiv. Wir nähern uns dem höchsten Grundwasserstand aller Zeiten." - Eine tickende Zeitbombe
im dicht bebauten Stadtgebiet!
Juli 2020: Im Hinblick auf den Klimawandel schuf das Land Berlin anscheinend vorausschauend das Abwasserrecyclingsystem, mit dem ca. 90 % der in den Klärwerken geklärten Abwasser der Stadt
wieder dem Grundwasserreservoir zugeführt werden.
Den notwendigen Schutz der seit Jahrzehnten im Berliner Urstromtal - im Einzugs- und Einflussgebiet der dort fördernden Berliner Wasserwerke - bestehenden Bebauung / Besiedlung ließ der
Berliner Senat dabei jedoch - trotz seiner gesetzlichen Verpflichtung zum Grundwassermanagement mit siedlungsverträglicher Grundwasserregulierung - außer Acht. Siehe oben: Originalton der
Senatsumweltverwaltung.
BM von 1996
Abwasserrecycling und Grundwasseranreicherungen - Thema der zweiten Sitzung des Runden Tisches Grundwassermanagement 2012
Im Zusammenhang mit den rechtlichen Aspekten wurde bei der 2. Sitzung des Runden Tisches vom Betroffenenvertreter des Blumenviertels die Beaufschlagung des Berliner Grundwasserhaushalts durch das Abwasserrecycling thematisiert.
Eine Antwort auf die Frage nach den realen Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den Grundwasserhaushalt Berlins gab die Senatsumweltverwaltung nicht.
Während der Teilung der Stadt und noch zur Zeit der politischen Wende 1989 war die Rohwasserförderung in Berlin hoch: 378 Mio. cbm / Jahr. Der Grundwasserhaushalt musste daher durch
Grundwasseranreicherungen - 1989 ca. 49 Mio. cbm / Jahr - ausgeglichen werden.
Nach der politischen Wende ging der Wasserverbrauch aus bekannten Gründen so stark zurück, dass das Grundwasser flächenhaft - besonders in den Einzugs- und Einflussbereichen der im
Urstromtal das Grundwasser fördernden Wasserwerke (siehe das Rudower Blumenviertel im Einzugsgebiet des Wasserwerkes Johannisthal) - anstieg. Das Grundwasser drang in die Fundamente und in
die Keller der Gebäude. Es gefährdete die Standsicherheit tausender Gebäude in Berlin und damit auch das Leben und die Gesundheit der mit den Gebäuden in Beziehung stehenden bzw. in Kontakt
tretenden Bevölkerung.
Die Grundwasseranreicherungen wurden jedoch trotz der erkennbar stark zurückgegangenen Grundwasserfördermengen (1997: nur noch 243 Mio. cbm / Jahr) auf 57 Mio. cbm / Jahr hochgefahren.
Im Jahr 1995 wurde vom Berliner Senat unter dem Motto "Berlin trocknet aus" trotz des starken Rückgangs des Trinkwasserverbrauchs mit einem Kostenaufwand von Milliarden DM das
Abwasserrecyclingsystem eingeführt.
Seitdem werden dem Grundwasserhaushalt der Stadt jährlich ca. 90 % des verbrauchten und geklärten Abwassers - heute 90 % von ca. 202 Mio. cbm / Jahr + der Abwasser aus den
Umlandgemeinden - wieder zugeführt.
Inzwischen wurden nach Auskunft der Vertreterin der Berliner Wasserbetriebe am Runden Tisch die Grundwasseranreicherungen auf ca. 13 Mio. cbm / Jahr reduziert.
Es bleibt jedoch der Tatbestand der enormen zusätzlichen Auffüllung des Berliner Grundwasserhaushaltes durch das Abwasserrecycling einschließlich geklärter Abwasser aus den Umlandgemeinden
bei immer geringer werdendem Verbrauch.
Dadurch steigen die Grundwasserstände in Berlin trotz der Verringerung der Grundwasseranreicherungen unaufhörlich flächendeckend an. Das macht sich heute in immer weiteren Teilen der Stadt
bemerkbar.
Die Senatsumweltverwaltung erklärt dazu: "Der Anstieg des Grundwassers ist positiv. Wir nähern uns dem höchsten Grundwasserstand aller Zeiten."
So schön es einerseits für Flora und Fauna sein mag, Wasser im dicht bebauten Stadtgebiet im Überfluss zu haben, so zerstört man andererseits das Eigentum und die Gesundheit tausender
Bürger/innen und macht ihnen das Leben in der Stadt unmöglich.
Übrig bleibt letzten Endes ein unbesiedelbares Sumpf- und Überschwemmungsgebiet.
Die Ökologen vom BUND wird es freuen: Endlich ist Platz für die Sumpfdotterblume und die Gelbbauchunke.
Fazit:
Niemand ist gegen einen sparsamen Umgang mit der Ressource Grundwasser. Wenn das Grundwasser selbst jedoch zu einem das Leben und die Gesundheit sowie die Bausubstanzen bedrohenden
Medium im dicht bebauten Stadtgebiet wird, dann ist Gefahr im Verzug und dringender Handlungsbedarf gegeben!
Diese flächendeckend das Eigentum und die Gesundheit gefährdenden Tatbestände wurden zusätzlich (!) von der Senatsumweltverwaltung zu einem Zeitpunkt geschaffen, als bereits die
Grundwassernotlage für tausende, durch hohe Grundwasserstände bedrohte Bürger/innen bestand und der Senatsverwaltung sehr gut bekannt waren.
Daher waren Schutzmaßnahmen für die immer stärker durch hoch anstehendes Grundwasser bedrohten, seit Jahrzehnten bestehenden Bauwerke erforderlich.
Das wurde unterlassen, obwohl die dazu notwendigen Schutzgesetze bereits in den Jahren 1999 - Einfügung des Paragrafen 37 a mit Begründung und Einzelbegründung in das Berliner Wassergesetz
(BWG)*- und 2001 - die daraus als Ermächtigung abgeleitete Grundwassersteuerungsverordnung - vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen worden waren.
* Paragraf 37 a BWG wurde vom Berliner Abgeordnetenhaus für die Stadtgebiete beschlossen, die in den maximalen Einflussbereichen der im Berliner Urstromtal das Grundwasser zu
Trinkwasserzwecken fördernden Wasserwerke bebaut und besiedelt wurden. Das trifft auch auf das Buckower-Rudower Blumenviertel und seine angrenzenden Gebiete sowie wesentliche Teile von
Johannisthal, Späthsfelde und Baumschulenweg zu, die mit öffentlich-rechtlich erteilten Baugenehmigungen im maximalen Einflussbereich des Wasserwerkes Johannisthal bebaut und besiedelt
wurden.
Wir forderten am Runden Tisch Grundwassermanagement:
Der Runde Tisch Grundwassermanagement und die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses müssen darauf dringen, dass der Berliner Senat diese gesetzlichen Grundlagen endlich strikt anwendet
und in Schutzmaßnahmen umsetzt.
Heilen statt Zerstören!